Prüfung ohne Wenn und Aber

Lochaufweitung gem. ISO 16630 erfolgreich automatisiert

Die automatische Lochaufweitungsanlage der Salzgitter Flachstahl GmbH wurde am 4. Dezember 2019 bei der Tagung Werkstoffprüfung erstmalig Fachpublikum aus Forschung und Industrie präsentiert.

Ein Großteil der von der Salzgitter Flachstahl ausgelieferten Stahlbleche wird im Rahmen der Bauteilherstellung schergeschnitten. Abhängig von der Stahlsorte und den Schneidparametern kann sich hierdurch die Umformbarkeit der Kante im Vergleich zum Basismaterial signifikant reduzieren. Bei der Bauteilauslegung muss dieser Effekt berücksichtigt werden, wenn z. B. Hochleistungswerkstoffe bis an die Grenze ihrer Umformbarkeit ausgenutzt werden sollen. Damit sich der Kunde bei der Fertigung auf eine hohe Umformbarkeit trotz Beschnitt verlassen kann, sichert die Salzgitter Flachstahl auf Wunsch eine Mindestumformbarkeit der schergeschnittenen Kante zu. Entsprechende Produkte sind dann mit dem Namenszusatz xpand® versehen. Die Ermittlung der Umformbarkeit der schergeschnittenen Kante erfolgt durch die Bestimmung des Lochaufweitungsverhältnisses gemäß der ISO 16630. Hierzu wird im ersten Schritt mit definierten Prozessparametern ein Loch in das zu prüfende Blech gestanzt. Im zweiten Schritt wird das Loch mit einem Kegelstempel aufgeweitet, bis ein Riss durch die gesamte Blechdicke verläuft. Aus dem Durchmesser des geschnittenen Loches und des aufgeweiteten Loches wird das Lochaufweitungsverhältnis errechnet.

Mit der wachsenden Nachfrage nachxpand®-Stählen, ist auch der Prüfaufwand gestiegen. Das mit einer Blechprüfmaschine manuell durchgeführte Schneiden und Aufweiten wurde mehr und mehr zum Engpass im bei der Bewertung entsprechender Coils. Aus diesem Grund hat sich die Salzgitter Flachstahl entschlossen, die Prüfkapazität mit einer automatischen Lochaufweitungsanlage deutlich zu erhöhen. Salzgitter Mannesmann Forschung hat von der Konzeptionierung bis zur Inbetriebnahme der Anlage unterstützt, es flossen dieErgebnisse der FuE im Bereich Messwertermittlung und Auswertung mit ein.

Der neu installierte Prüfablauf entspricht weiterhin der ISO 16630 und ermöglicht neben der Kapazitätssteigerung gleichzeitig eine Reduzierung von Fehlermöglichkeiten. Die ca. 100 mm breite und 500 mm lange Probe ist zur Identifikation und zur späteren Zuordnung der Prozessdaten und Ergebnisse mit einem Barcode versehen. Zum Stanzen der Löcher im ersten Prozessschritt, wurde ein optimal an den Prozessablauf angepasstes Schneidwerkzeug gebaut. Es ermöglicht einen einfachen Tausch der Schneideinsätze und gewährleistet gleichzeitig die für eine hohe und gleichbleibende Stanzqualität notwendige Steifigkeit.

Mit einem Hub der servoelektrischen 700 kN Presse wird jeweils ein Probenstreifen gleichzeitig mit fünf Löchern versehen. Dieser Stanzprozess wird mit einer intuitiv zu bedienenden LabView-Oberfläche gesteuert. Eine Vielzahl an Sensoren und Plausibilitätsprüfungen reduziert dabei die Fehlermöglichkeiten.

Die gelochten Proben werden anschließend in das Magazin der Lochaufweitungsanlage gestapelt. Die Bleche werden automatisch entnommen und der Aufweiteinheit zugeführt. Zur Lochaufweitprüfung ohne Bediener ist eine automatische Erkennung des Risses notwendig. Hierzu muss die Probenoberfläche gleichmäßig und reflexionsarm ausgeleuchtet werden. Eine hochauflösende Digitalkamera erzeugt eine Serie aus Einzelbildern vom Materialbereich um das gestanzte Loch. Diese werden direkt von einem LabView-Vision-Programm analysiert und auf die Schnittkante reduziert. Wird der sich so ergebende Ring von einem Riss komplett durchtrennt, wird der Aufweitungsvorgang gestoppt und das Lochaufweitungsverhältnis kann auf Basis der Bilder berechnet werden.

Mit der Inbetriebnahme der automatischen Lochaufweitungsanlage stellt die Salzgitter Flachstahl den steigenden Bedarfen angepasste Prüfkapazitäten bereit und definiert in diesem Bereich den Stand der Technik neu.